Es dauert ein bisschen, bis im Forum des Gymnasiums Theresianum in Mainz Ruhe einkehrt, dann nimmt Isabell von der SV das Mikro und erklärt: „Wir sind heute hier, damit alle Schüler ihre Ideen einbringen können. Und ich möchte euch bitten: Lasst euch einmal darauf ein, damit es ein guter Tag für uns alle wird!“ Applaus brandet auf. Über 500 Schülerinnen und Schüler und ca. 80 Lehrkräfte schauen gespannt auf die Bühne. Was der Tag ihnen bringen wird, weiß zu diesem Zeitpunkt keiner von ihnen. Und das ist auch gewollt. „Open Space – Wir gestalten das Zusammenleben“ heißt das Format, mit dem das Gymnasium in der Mainzer Oberstadt neue Wege bei der Partizipation von Schülerinnen und Schülern gehen will und bei dem das Programm durch die Teilnehmenden selbst erst am Morgen erstellt wird. Denn egal, was einem auf der Seele brennt oder man schon immer mal ansprechen wollte – alles kann bei der Themensammlung genannt werden und jede und jeder darf dabei mitmachen. Die Themen werden auf einer digitalen Pinnwand notiert und mit Uhrzeiten versehen, zu denen sich Interessierte dann in einem Raum treffen, austauschen und neue Ideen entwickeln können. Diese werden am Ende auf Ergebnisbögen dokumentiert.
70 Themen in einer Stunde
„Mein Thema ist die Sauberkeit auf den Toiletten“, wagt sich Julian aus der 5. Klasse als erster vor und erntet damit Applaus und Zustimmung. „Ich bin für einen vegetarischen Tag in der Mensa“ fordert Chiara aus der 8. Klasse, und Noemie aus der 11 möchte über Sexismus und Kleiderordnung diskutieren. Leo aus der 7. Klasse plädiert für zwei weitere Fußballtore, Aryan aus der 9. findet die Hausschuhregelung nicht gut und Clara und Mia aus der Unterstufe wollen, dass digitale Endgeräte auf dem gesamten Schulgelände erlaubt sind. Anton aus der 7. möchte Kameras bei den Fahrradständern, Ilyes einen muslimischen Gebetsraum und das Sekretariatsteam stellt die Frage, wie es geschafft werden kann, dass weniger Schülerausweise verloren gehen. „Darf man Lehrer anlügen?“ macht Schulleiter Stefan Caspari ein weiteres Thema auf, und das Jahrgangsparlament der Stufe 9 möchte einen Austausch darüber, dass Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler respektvoller und auf Augenhöhe behandeln. Rund 70 Themen kommen so binnen einer Stunde zusammen – die meisten davon aus der Schülerschaft. Dann geht es in die Austauschrunden. Angesetzt sind drei Stück mit bis zu 28 Themen pro Runde, für die es 30 Minuten Austauschzeit gibt. Sobald zwei Personen in einem Raum sind, kann es losgehen. Die Teilnehmenden dürfen nach Interesse beliebig oft die Räume wechseln, auch während einer Austauschrunde.
Wirkung auf die Schulkultur
Um 14 Uhr treffen sich alle im Forum wieder. An Pinnwänden hängen die Ergebnisse aus den Runden aus. „Ich bin super überrascht, wie toll die Schülerinnen und Schüler ihre Diskussionen dokumentiert und sogar schon nächste Schritte festgelegt haben“, sagt Steffi Klicks, die den Tag moderiert und schon oft an Schulen zu Gast war. Nun lässt sie sich im Plenum von den Teilnehmenden berichten, wie es ihnen in den Gesprächen ergangen ist und welche Vorschläge entstanden sind. Und das sind nicht wenige: Ein Hygieneartikel-Automat für das Mädchenklo, für den Gebetsraum eignet sich der Meditationsraum in der Kapelle und es sollen neue Sportangebote entstehen, die von Schülerinnen und Schülern geleitet werden. Auch haben sich Projektgruppen gefunden, die z.B. zum Thema Rassismus oder Gender und Diversität weiterarbeiten möchten. Das Meiste steht noch ganz am Anfang, doch der ist zumindest gemacht. Zum Schluss stimmen alle auf der digitalen Pinnwand ab, welche der Themen auf jeden Fall weiterverfolgt werden sollen. Diese werden dann mit in die Gremien genommen. „Wichtiger aber als die ganzen Projekte, die heute angestoßen wurden, ist meiner Meinung nach die Wirkung so eines Tages auf die Schulkultur“, findet Konrektor Stephan Kurz-Gieseler, der mit dem Tag sehr zufrieden ist. „Dass alle miteinander ins Gespräch kommen und so ein gemeinsamer Spirit entsteht.“